Anden Gebirge

Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika

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Hühner, eine Ziege, ein Schwein - eine Hütte aus Astwerk, mit Lehm beworfen. Drinnen kärglichster Hausrat und eine mit Kuhhaut, auf Holzleisten gespannt, als Bett. Knapper Tagelohn, eine Handvoll gesalzenes Trockenfleisch und ein Topf voll Mais - gerade soviel, um nicht zu verhungern. "Das ging so jahraus, jahrein, seit Generationen", fuhr der arme Peon fort. "Als Zahltag war, hab' ich eins über den Durst getrunken, Pisco, eine Art Weinbrand, den man an der ganzen Westküste entlang trinkt. Warum immer nur armer Inquilino sein wie Vater und Großvater? Also, noch einen Pisco! Und dann hatte ich plötzlich Mut und bin auf und davon. Ich war zwar kein Inquilino mehr, aber ein besseres Leben hab' ich auch nicht gefunden."

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Onkel Tom schickt ein Telegramm

Wieder in Valdivia. Von Onkel Tom lagen zwei Telegramme für uns auf der Post. Wir sollten endlich nach der Hauptstadt Santiago kommen. Am nächsten Tag. Wir sitzen im Zug und fahren nordwärts nach Santiago. Unendlich langgestreckt ist dieses Land. Eigentlich nur ein Küstenstreifen oder besser ein großes Längstal zwischen einer niedrigen Küstenkordillere und der gewaltigen Hochgebirgskette, die nach Norden zu immer höher ansteigt. Fernandez meint, die durchschnittliche Breite des Landes entspricht vergleichsweise etwa nur der Entfernung Berlin-Hannover. Seine Länge aber - Jupp, schlag den Atlas auf, sieh nach und staune! - einer Strecke von Kopenhagen bis zum Tschad=See. Nein, Jupp, das ist kein Witz: wirklich bis zum Tschad=See mitten in Afrika.

Paulo berichtet vom Andenflug

Große Wiedersehensfeier in Santiago! Onkel Tom und Paulo holen uns ab. Es gibt viel zu erzählen. Aber alles, was wir auf unserer Schiffsreise erlebt haben, verblaßt vor dem Andenflug, den die beiden hinter sich haben. Der dicke Paulo wollte anfangs lieber mit der Eisenbahn fahren. Aber Onkel Tom verachtet doch die Eisenbahn als unmodern, und so ging es also im Flugzeug über die Anden.

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- "It was wonderful!" bestätigt Onkel Tom und schiebt die Pfeife in den Mundwinkel. "Wir haben dem Aconcagua persönlich guten Tag gesagt." "Wem?" "Oh, look, there!" Er zeigt in die Ferne. Von dort grüßt der majestätische Schneegipfel des höchsten Berges von Chile herüber. Paulo muß erzählen. "Auf dem Flugplatz in Mendoza haben uns die Leute gesagt, die Anden seien das gefährlichste und heimtückischste Gebirge der Welt", beginnt er gewichtig. "Auf und Abwinde gibt es an den Hängen, ich kann euch sagen! Und plötzliche Wetterwechsel, die wie aus heiterem Himmel kommen! Aber trotzdem wird die Strecke Buenos Aires-Mendoza-Santiago regelmäßig von Verkehrsflugzeugen beflogen. Besonders die Chilenen sind hervorragende Flieger.

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Die Anden sind die längste Gebirgskette der Erde. Die Anden erstrecken sich entlang der Westküste Südamerikas von Venezuela über Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Argentinien und Chile. Mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von 7500 Kilometern von 10° Nord bis 55° Süd. Im Süden und in Ecuador sind sie bis 200 km breit. Zwischen Arica (Chile) und Santa Cruz de la Sierra (Bolivien) beträgt die Ost-West-Ausdehnung über 600 Kilometer.